Dritter Teil des Tagebuchs einer Reise durch Bolivien, Argentinien und Chile

21. bis 23. Januar 1999, Calafate und der Moreno Gletscher


Nach einer Fahrt ohne besondere Ereignisse kamen wir am späten Nachmittag in Calafate an. Das Städtchen ist ziemlich gesichtslos, aber das gilt eigentlich für alle Ansiedlungen Patagoniens. Was mir in Erinnerung blieb war das Kraftwerk mitten im Ort. Ein stationärer Dieselmotor tuckert da ständig lautstark vor sich hin. Untergebracht waren wir in einer Art Jugendherberge. Dort hat es mir ganz gut gefallen. Vor allem das angeschlossene Restaurant war klasse. Wie in diesem Teil der Welt nicht anders zu erwarten, gab es dort sehr gute Fleischgerichte.

Morgens ging es dann in Richtung Moreno, welcher zu den spektakulärsten Gletschern der Welt gehört. Von Aussichtsplattformen hat man einen tollen Blick auf die Gletscherfront, von der laufend riesige Eisbrocken unter lautem Knallen abbrechen und im Wasser versinken. Leider war ich ein Mal, als es ordentlich krachte und spritzte, so fasziniert, dass ich das Fotografieren vergaß.


Mit einheimischen Führern kann man relativ gefahrlos auf dem Gletscher herumspazieren. Mehr als ein paar einfache Steigeisen unter den Schuhen sind nicht notwendig. Trotzdem ist Vorsicht geboten. Die Gletscherspalte links ist zwar gut sichtbar und nicht wie in den Alpen vom Schnee bedeckt, aber wer rein fallen sollte, der kriegt sicher Probleme. Jorge und Vicente, unsere beiden Argentinier waren begeisterte Kletterer. Mit richtig guten Steigeisen und einem Pickel für jede Hand kletterten sie mal kurz die Wände hoch. Das Bild links zeigt, dass die Oberfläche des Gletschers keineswegs eben ist, im Gegenteil.
In unangenehmer Erinnerung ist mir noch die Holländerin Maria. Selbst auf dem Gletscher konnte sie ihr vorlautes Mundwerk nicht halten und wollte dauernd im Mittelpunkt stehen. Leute mit einem solch krankhaften Geltungsbedürfnis gehen mir unglaublich auf die Nerven. Was für eine angenehme Person war da doch die Italienerin Ciara.

23. bis 26. Januar 1999, Nationalpark Torres del Paine in Chile

Gleich nach dem Frühstück deckte ich mich in einer nahe gelegenen Bäckerei mit "Media Lunas", einer argentinischen Süßspeise ein, um die Fahrt Richtung Chile besser zu überstehen. In einem Provinzstädtchen kamen wir dann an diesem Denkmal vorbei. Über den Falkland Inseln weht aber die Flagge des Vereinigten Königreichs und nicht die argentinische. An der Grenze sahen wir den ersten Kondor der Reise und wurden vom Wind fast weggepustet. Kein Wunder, dass es hier keine Bäume gibt. Leider gab es kein Telefon, so dass ich meiner Schwester nicht aus der Ferne zu ihrem 35ten Geburtstag gratulieren konnte.


Am Eingang des Nationalparks lungerte dieser Fuchs herum. Da er an Menschen gewöhnt ist und von ihnen keine Gefahr ausgeht, ist seine Fluchtdistanz gering. Das gibt es übrigens oft. Mitten in der Wildnis sind die Tiere scheu, dort wo viel los ist kommt man dann oft sehr dicht heran. Um eine bessere Perspektive zu kriegen und so nah wie möglich ranzukommen, kroch ich dem Fuchs in tiefster Gangart entgegen. Das sorgte bei meinen Mitfahrern für Erheiterung.
Kurz nach der Einfahrt in den Nationalpark überflog uns ein Kondor im Tiefflug. Das und die unglaubliche Landschaft, solch blaue Seen hatte ich noch nie gesehen, machte mich richtig euphorisch. Auch der Campingplatz gefiel mir sehr gut. Kurz vor Sonnenuntergang konnte wir diese fantastische Aussicht genießen.


Am nächsten Tag wanderte ein Teil der Gruppe zum Aussichtspunkt, von dem man einen guten Blick auf die drei Felstürme hat. Leider sind die Gipfel fast immer im Nebel. Obwohl die drei riesigen Granitfinger nicht mal die 3000m Grenze erreichen, sind sie immer noch eine Herausforderung für Alpinisten von Weltklasse, gilt es doch eine fast 800m senkrecht aufragende, glatte Granitwand hochzuklettern. Das oft schnell umschlagende Wetter und der wie aus dem Nichts kommende, enorm starke Wind sind zusätzliche Erschwernisse.

Beim Zurückfahren kamen wir noch an einer kleinen Herde Guanakos vorbei. Seit der Gründung des Nationalparks haben sich die Tiere dort gut vermehrt und ihre Scheu vor dem Menschen ziemlich verloren.


Unser letzter Tag in dieser herrlich Umgebung begann damit, dass ein Kondor während des Frühstücks im Tiefflug über uns kreiste. Sofort war die Kamera mit dem 300 Tele zur Hand und ich zog schnell einen halben Film durch. Bei solchen Gelegenheiten darf man nicht sparen. Wie oft sieht man im Leben einen Kondor über sich kreisen?

Den Rest des Tages wanderte ich in der Umgebung unseres Campingplatzes durch die Gegend, um Guanakos zu beobachten und zu fotografieren. In tiefster Gangart kam ich auch nahe genug heran, um mit dem Tele formatfüllende Bilder machen zu können.


26. bis 28. Januar 1999, Punta Arenas Chile

Gegen Nachmittag wurde erst Mal ausgiebig der Laster gereinigt. Danach ging's Richtung Punta Arenas, der südlichsten Großstadt der Welt. Vor der Eröffnung des Panama Kanals 1914 war die Stadt ein bedeutender Hafen. Fast jedes Schiff, das Kap Horn umfahren wollte, legte hier noch mal an.
Punta Arenas war auch der Umschlagplatz für Wolle, als man damit noch sehr reich werden konnte. Die Paläste der Familien Noruega, Braun und Menéndez sind immer noch beeindruckend. Weniger schön war das Leben damals für ihre Arbeiter. Die mussten für einen Hungerlohn schuften und bei Streiks kam die Armee und erschoss eben mal ein paar hundert.

Heutzutage ist nicht mehr viel los in der Stadt. Die bunten Häuser sind nett anzuschauen, aber von schlechter Qualität. Auf einem alles andere als soliden Fundament errichtet man einen Holzrahmen, der dann wieder mit Blech beplankt wird. Eine Isolierung gibt es nicht. Wie man in einem solchen Haus die strengen und langen Winter in Chiles Süden übersteht, das blieb mir ein Rätsel.

28. bis 31. Januar 1999, Ushuaia, Argentinien, die südlichste Stadt der Welt

Auf der Fahrt Richtung Süden kamen wir an einer aufgegebenen Estancia der Familie Menéndez vorbei. Die Anwesen im Süden Patagoniens sind riesig. Zu einem kleinen Gehöft gehören mindestens 20000 Hektar, aber auch 70000 Hektar große Farmen sind keine Seltenheit. Das entspricht fast der Größe Berlins.

Zur ihren Glanzzeiten hatte die Estancia sogar ein eigenes Schiff, um Wolle und Fleisch nach Buenos Aires zu transportieren. Heute verrottet die Amadeo am Strand.


Vor dem Passieren der Maghellanstraße wurde noch ein Gruppenfoto gemacht. Wenn ich mir das Bild so anschaue, fällt mir wieder ein, dass doch einige unangenehme Zeitgenossen dabei waren. Die blonde Helen ganz rechts sieht gut aus, ist aber strohdumm. Maria, die fette Holländerin, hatte dauernd die Klappe auf und kommandierte herum. Die Alte dahinter war oft besoffen und im Übrigen stinkfaul. Der Bärtige ganz im Hintergrund ist der wilde Bill, ein Mann aus dem australischen Busch. Keine Ahnung, wann der sich das letzte Mal die Haare gewaschen hat. Er war übrigens derjenige, der während der Reise die meisten Bierdosen vernichtet hat. Dieser Wettbewerb wurde klar von den Australiern dominiert, die auch einen Wodka nicht verabscheuten.


Nachdem ich in den Wochen vorher spektakuläre Landschaften gesehen hatte, enttäuschte mich Feuerland ein wenig. Die Berge sind weit niedriger, die Tierwelt ist artenärmer, alles ist weniger Atem beraubend als im Fitzroy Gebiet oder im Paine Nationalpark. Auch Ushuhaia, die südlichste Stadt der Welt, ist nichts Besonderes. Argentinien nutzte die abgelegene Lage früher um dort seine Gefangenen unterzubringen. Im ewigen Streit mit Chile um Gebiete in der Gegend will Argentinien in Ushuaia Präsenz zeigen und versucht die Stadt durch Steuergeschenke und Subventionen aller Art attraktiv zu machen. Zumindest war das 1999 noch so. Heutzutage ist die Stadt ein Ausgangspunkt für Schiffsreisen in die Antarktis.


Normalerweise kostet eine Woche Antarktis auf einem russischen Schiff mindestens 4500 Dollar. Das ist weit mehr als mich die vierwöchige Reise gekostet hat. Außerdem ist das Meer dort unter oft sehr rauh. Ich habe mich nicht mal getraut eine mehrstündige Fahrt zu einer Robbenkolonie zu machen. Der Wind war schon zu stark und der schwarze Himmel ließ nichts Gutes ahnen. Der Hafen und das ehemalige Gefängnis waren am letzten Tag auch nicht uninteressant

Russischer Antarktis Kreuzer

Das polnische Segelschulschiff Frédéric Chopin

Der Knast


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