Tagebuch einer Reise durch Bolivien, Argentinien und Chile

30. Dezember 1998 bis 1. Januar 1999, La Paz, Bolivien

Gleich nach der Ankunft auf dem mit 4200m höchsten Flughafen der Welt fing ich an, mich unwohl zu fühlen. Der Sprung auf Höhen, die in Europa nur einige Alpengipfel erreichen, war leider für mich zuviel.

La Paz liegt in einen Talkessel am Rande einer kargen Hochgebirgslandschaft. Deshalb sind die Höhenunterschiede innerhalb der Stadt enorm. Das Stadtviertel El Alto liegt auf 4200m, die nobleren Wohngegenden weit unten im Kessel, auf vielleicht 3600m. Warum die Spanier ausgerechnet hier eine Stadt gründeten ist mir ein Rätsel. Die unmittelbare Umgebung kann eine Großstadt nicht ernähren. Dazu sind die Böden zu schlecht und das Klima zu rauh. Der Rest des bolivianischen Altiplanos ist ja auch sehr dünn besiedelt. Trotzdem hätte ich die Stadt gerne besser kennengelernt. Es leben hier sehr unterschiedliche Menschen nebeneinander. Der moderne Angestellte mit Laptop und Mobiltelefon kauft seine Zigaretten wahrscheinlich bei einer traditionell gekleideten Quechua Indianerin, deren runde Hüte eines der Wahrzeichen von La Paz sind.



1. bis 3. Januar 1999, Potosí, Bolivien

Leider hatte ich nun auch noch mit einer Bronchitis und nicht nur mit der Höhe Probleme. Deshalb konnte ich die Fahrt nach Potosí, der höchstgelegenen Großstadt der Welt nicht richtig genießen.

Die Fahrt ging durch das ländliche Bolivien. Die Menschen leben dort von der Landwirtschaft, die aber nicht mehr als das absolut zum Überleben Notwendige abwirft. Dass sich das jemals ändern wird, dafür gibt es keine Anzeichen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass sich in dieser Gegend Industrie oder ein modernes Dienstleistungsgewerbe ansiedeln wird. Der Mais und das Lama werden sicher noch lange diese Gegend prägen.

Kleines Kirchlein im bolivianischen Hochland

Kleine Reparatur des Lasters aufmerksam beobachtet vom wilden Bill, einem australischen Hinterwäldler

Das Lama, noch immer ein wichtiges Transportmittel in dieser Gegend


Im Jahre 1545 entdeckte ein Indio am Cerro Rico de Potosí Silber. Die Vorkommen erwiesen sich als sehr ergiebig. Deshalb gründeten die Spanier dort eine Stadt, die zu ihren Glanzzeiten im 16. und 17. Jahrhundert das wirtschaftliche Herz eines Weltreichs und die zweitgrößte Stadt der Welt war. Die Kirchen von Potosí waren so prächtig wie die schönsten Kathedralen Spaniens und die Münze war der aufwändigste Profanbau im ganzen Reich. Bezahlt wurde dies mit dem Leben von Millionen von Bergarbeitern. Man schätzt, dass sich am Cerro Rico zwischen zwei und vier Millionen Bergarbeiter zu Tode schufteten. Auch heute noch beuten die Einheimischen den Berg in Eigenregie aus. Vielleicht mehr Geld wird aber mit Führungen für Touristen verdient. Ich hatte mich sehr auf diese Stadt gefreut, aber leider war ich sehr schwach und spuckte nach einer durchhusteten Nacht auch noch Blut ins Waschbecken. Deshalb lernte ich dort nur das Krankenhaus kennen, wo man mich gleich an die Sauerstoffflasche hängte.

3. bis 5. Januar, im bolivianischen Altiplano

Nach der Behandlung im Krankenhaus hing ich noch etwas im Hotel rum. Mein körperlicher Zustand ließ keinerlei Aktivitäten zu. Am nächsten Tag sollte es ins nur 2600m hoch gelegene Sucre gehen. Auf der Strecke zwischen Sucre und Potosí war zwei Jahre vorher eine Brücke vom Hochwasser weggerissen worden. Normalerweise kann man das Flussbett durchfahren, aber als wir ankamen hatte es vorher ziemlich geregnet. Einige Autos vor uns riskierten die Durchquerung. Wir wollten das Risiko vernünftigerweise nicht eingehen und fuhren wieder zurück nach Potosí, wo ich eine nicht mehr ganz so schlimme Nacht verbrachte. Die beiden darauffolgenden Tage durchquerten wir den bolivianischen Altiplano in Richtung Argentinien. Leider konnte ich die karge, wenig besiedelte und dennoch faszinierende Landschaft nicht genießen. Die dünne, trockene und staubige Luft war Gift für meinen Körper.

Meine Krankheit hatte auch zur Folge, dass ich nur wenig fotografierte. Die Bilder zeigen unseren landschaftlich schön gelegenen Rastplatz, einen blühenden Kaktus und unseren im Sand versunkenen Laster.


Nach dem Passieren der Grenze in Richtung Argentinien änderte sich die Landschaft anfangs nicht. Sie war genauso gebirgig, karg und spektakulär wie auf der bolivianischen Seite. Glücklicherweise bewegten wir uns langsam abwärts, in tiefer gelegene Gefilde, was mir sehr gut tat. Eine leichte Bronchitis ist auf 4000m Höhe fast nicht zu ertragen, 1500m tiefer fühlt man sich dann schon viel besser. Als es dann kurz vor Salta noch anfing zu regnen, war ich wieder fast gesund.

5. bis 7. Januar, Salta, Argentinien

Da der Regen immer stärker wurde und ich immer noch nicht ganz der Alte war, musste es hier eine komfortablere Bleibe als ein halb unter Wasser stehender Zeltplatz sein. Das Hotel Colonial direkt in der Innenstadt war genau das Richtige für einen Rekonvaleszenten. Salta, angeblich die Stadt mit dem meisten kolonialen Flair Argentiniens, hat mich nicht sonderlich beeindruckt. Sicher, es gibt schöne Gebäude, aber keine in sich geschlossene, komplett erhaltene Altstadt.

7. bis 8. Januar, Cafayate, Provinz Salta, Argentinien

Morgens traf ich mich mit dem Rest der Gruppe wieder und wir machten uns auf in Richtung Cafayate, einer für ihren Wein und ihre landschaftlich schöne Lage bekannte Kleinstadt. Da viele der Reiseteilnehmer australische Alkoholiker waren, wurde natürlich sofort das größte Weingut Cafayates angesteuert. Die Bodega von Señor Etchart ist schon etwas anderes als die Weingüter bei uns im Schwäbischen. Der Wein selbst begeisterte mich nicht. Trotzdem goß ich mir gleich soviel rein, dass ich als Übersetzer nicht mehr zu gebrauchen war.

So muss der Eingang eines Weinguts aussehen

Unsere Führerin, der man wie vielen Leuten im Norden ihre indianischen Wurzeln ansah

Blick über das Weingut


Nach einem kleinen Mittagsschläfchen ging ich mit der Kochtruppe einkaufen. Die Auswahl im dortigen Supermarkt war zwar nicht berauschend, aber es gab Rotwein und es gab Fleisch, und zwar preiswerte, qualitativ hochwertige Ware. Wie überall in Argentinien waren auch auf dem Zeltplatz von Cafayate genügend Grillstellen vorhanden, so dass wir unser Fleisch auch auf landestypische Weise zubereiten konnten. Bei rotem Wein, zarten Steaks und einem tollen Blick auf die Umgebung ging dieser Tag zu Ende.

8. bis 10. Januar, Córdoba

Für diesen Tag hatten sich unsere Fahrer vorgenommen, bis nach Córdoba zu fahren. Trotzdem wurden auch noch die Ruinen der letzten Siedlung der Quilmes Indianer besichtigt. Dieser Stamm hatte sich 130 Jahre lang den Eroberungsversuchen widersetzt, bis auch er aufgeben musste. Die Eroberung des Landes lief in Argentinien ähnlich ab wie in den USA. Die Ureinwohner wurden mehr oder weniger planmäßig ausgerottet. Mit der "Campaña del Desierto" von 1878 bis 1881 kam dann das Ende der letzten freien Indianer Patagoniens. Der Anführer diese Feldzugs, General Roca ist bis heute in Argentinien ein Nationalheld.
Im ehemaligen Gebiet der Quilmes Indianer, an die heute nur noch eine Biermarke erinnert, wechselt die Landschaft sehr schnell. Trockene Gebiete und saftige Gebirgswiesen liegen nahe beieinander.

Nach einer langen Fahrt in teilweise strömendem Regen erreichten wir spät abends Córdoba. Der Zeltplatz lag neben dem Stadion, in dem Deutschland 1978 die Schlacht von Córdoba gegen Österreich verlor. Ein Eigentor von Vogts und ein Treffer von Krankl besiegelten die Niederlage.

Kaktus im Gebiet der Quilmes

Córdoba ist die zweitgrößte Stadt Argentiniens. Es gibt dort eine Menge Industrie, unter anderen ein großes Ford Werk, eine traditionsreiche Universität und einige alte Gebäude, vor allem in der Umgebung der Kathedrale. Natürlich darf auch ein Reiterstandbild von José San Martín, einem General des Unabhängigkeitskrieges gegen die Spanier nicht fehlen. Bezeichnend ist, dass Leute wie Bolivar, Sucre, O'Higgins oder eben San Martín immer noch als Nationalhelden verehrt werden, aber nach dem Erhalt der Unabhängigkeit schnell aus den Machtpositionen verdrängt wurden und teilweise wie Sucre ermordet wurden oder wie San Martín im Exil starben.

Wenn auch viele Gebäude Córdobas nichts Besonderes sind, auf eine repräsentative Eingangstür wird großer Wert gelegt.

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