Potosí, die legendäre Silberstadt in den bolivianischen Anden

Als im Jahre 1545 der Indio Diego Huallpa am Cerro Rico ein Lagerfeuer anzündete, um sich vor der Kälte zu schützen, fing das Silber einer dicht unter der Erde liegenden Ader an zu schmelzen und trat an die Oberfläche. Dies ist nur eine der Legenden, wie der legendäre Silberberg entdeckt wurde. Sicher ist, dass die Spanier ab 1545 anfingen, das begehrte Edelmetall in großem Stil auszubeuten. Das war nicht leicht, da der Berg sich in einer für die menschliche Besiedlung wenig geeigneten Gebiet befindet. Die Höhe, der geringe Niederschlag und die schlechten Böden lassen keine ertragreiche Landwirtschaft zu. Die Mine und die um sie herum entsthenede Stadt musste mit allem, was sie benötigte, von weit her versorgt werden. Ein Problem war auch die Arbeitskräftegewinnung. Anfangs versuchten es die Spanier auch mit Sklaven aus Afrika. Die starben offensichtlich in der ungewohnten Umgebung zu

Der Cerro Rico

schnell. Deshalb führte 1572 der Vizekönig von Peru, Francisco de Toledo die Mita, ein System der Zwangsarbeit, ein. Von da an bis zum Jahr 1825 wurden jedes Jahr tausende von Indios zur Arbeit in den Minen gezwungen. Dies war fast ein Todesurteil. Man schätzt, dass in dieser Zeit zwischen zwei und acht Millionen Indios in der Mine "verheizt" wurden. Die Stadt nahm durch das Silber einen schnellen Aufschwung und war um 1650 eine der größten Städte der Welt und ihr Silber die wirtschaftliche Basis des spanischen Imperiums. Zeugen dieser Glanzzeit sind die Münze und einige prächtige Kirchen, an denen man den früheren Reichtum der Stadt leicht erkennt.

Die Münze
Die Kathedrale

Um 1750 war das Silber weitgehend ausgebeutet und Potosí verlor seine Bedeutung. Verschiedene Minen in Mexico, das noch heute der weltgrößte Silberproduzent ist, liefen Potosí den Rang ab. Um 1850 began ein erneuter Aufschwung. Dieses Mal war das Zinn des Berges das Objekt der Begierde. Bald wurden aber auch in Bolivien ergiebigere Zinn Lagerstätten gefunden. Anfang des 20ten gehörten die bolivianischen Zinnbarone, der berühmteste war Simón Patiño, zu den reichsten Männern der Welt. Die Mine "Siglo Veinte" (20tes Jahrhundert) in Llallagua war die bedeutendste. In ihr bauen die Bergleute heute auf eigene Rechnung Zinn ab, und zwar zu schlechteren Bedingungen als früher.
Ich kam am späten Nachmittag in der Stadt an und nachdem im Hotel alles organisiert war, erkundete ich mit Michelle die Altstadt. Der Rest der Gruppe wurde vom häßlichenen Teil der Stadt so abgeschreckt, dass sie es vorzogen, im Hotel zu

Kirchtür
Silberverkäuferin

bleiben. Sowas kann ich nicht verstehen. Da ist man bei gutem Wetter an einem faszinierenden, von Europa aus nur schwierig zu erreichenden Ort und kriegt den Arsch nicht hoch.
Kurz nach dem Hotel sah ich diese Einheimische mit ihrem mobilen Silberladen und fing an mich mit ihr zu unterhalten. Sie ist wie ihr Mann Mitte 60 und verkauft die Produkte seiner Arbeit als Silberschmied. Die Sachen waren meiner Meinung nach sehr schön gemacht und nach kurzen Verhandlungen ging eine Zuckerdose in meinen Besitz über. Natürlich waren im Preis auch ein paar Fotos drin. Weiter ging's zur Münze, wo wir leider nur den Innenhof besichtigen konnten. Auch die prächtige Kathedrale und weitere Kirchen sahen wir nur von außen. Zum Schluss suchte ich noch einen guten Aussichtspunkt auf den Cerro Rico. Der wurde auch gefunden,

Silberladen

aber leider war es schon ziemlich dunkel. Trotzdem kehrten wir sehr zufrieden zum Hotel zurück und ich freute mich auf den Besuch der Minen am anderen Tag.
Pünktlich um acht Uhr morgens waren unsere beiden Bergführer da und mit dem Bus ging es zum Umkleiden. Wir bekamen Gummistiefel, eine Art Schutzanzug und einen Helm verpasst. Die nächste Station war der Markt der Minenarbeiter, wo wir einige Geschenke kauften. Beliebt sind Coca-Blätter, ein Beutel kostet 25 Cent, Dynamit, eine Stange mit Zündschnur und einem Beutel Ammoniumnitrat kosten gerade mal 2 Euro und 95% Zuckerrohrschnaps. Mit einer Stange Dynamit in der

Eingang der Mine
Die beiden Führer

Hosentasche fuhren wir den Berg bis zum Mineneingang hoch. Nach einigen einleitenden Worten gingen wir dann rein. Am Anfang war der Stollen noch sauber ausgemauert, später sahen wir nur noch blanken Fels ohne jede Absicherung. Weit ärgerlicher war aber das Verhalten der beiden Einheimischen. Ohne sich umzugucken rannten die beiden in die Mine hinein. Ich war direkt dahinter und konnte nur mit Mühe folgen. Klar, ich bin auch 1,88m groß und da hat man es in den teilweise sehr engen Gängen viel schwerer als die meist eher kleinen Einheimischen. Warum ich sie nicht dazu aufforderte langsamer zu machen, das weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich

Ich im Cerro Rico
Gruppe in der Mine

war ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Einer der beiden hätte auch unbedingt am Ende der Gruppe sein müssen. Ohne das ich es bemerkte mussten Michelle und Sophie wieder alleine aus der Mine raus, da sie das Tempo nicht halten konnten. Auch ich hatte Probleme und pumpte wie ein Maienkäfer. Die Anstrengung und die dünne und schlechte Luft brachten mich anfangs an meine Grenzen. Irgendwann ging's dann aber. Vielleicht haben mir die Coca Blätter geholfen. Über teilweise abenteuerliche Schächte, deren Boden ich mit meiner Stirnlampe nicht sah, drangen wir tiefer ins Innere des Berges vor. Ein Mal musste ich eine wacklige Holzleiter hinunter und dann mitten über einem tiefen Schacht auf eine andere Holzleiter umsteigen. Die Temperaturen stiegen deutlich, die Luft war noch viel schlechter als in der Nähe des Eingangs und ich schwitzte unter dem Schutzanzug enorm. Zum Glück hatte ich genug Wasser dabei.

Coca zur Pause
Bald wird gesprengt

Obwohl Sonntag war trafen wir doch zwei Bergarbeiter an. Einer machte gerade Pause und kaute nur Coca. Der andere bereitete eine Sprengung vor. Die Schinderei wirft selten mehr als 100 Euro im Monat ab. Alle vier Jahre werden die Arbeiter untersucht und wenn dann die Lunge nur noch zu 50% funktioniert, kriegen sie eine Rente vom Staat. In der Regel aber nur für kurze Zeit. Die Lebenserwartung der Bergarbeiter liegt bei ca. 45 Jahren. Arsen-, Asbest- und andere Stäbe zerstören auf Dauer die Lunge.
In der Mine wurde auch ein kleines Museum eingerichtet. Dort stand auch, wie in jeder Mine in Potosí, eine nackte Teufelsfigur, der sogenannte Tío, eine Art Schutzpatron der Bergleute. Ihn zu fotografieren soll Unglück bringen. Das Museum war nicht mehr so tief im Berg. Die Luft kam mir richtig gut vor. Trotzdem waren wir alle froh, als wir wieder im

Der Tio
Bald wird gesprengt

Freien waren. Dort atmete ich erst Mal kräftig durch. Herrlich, diese Luft hier. Kaum zu glauben, dass ich in Potosí mal damit riesige Probleme hatte und aus der Sauerstoffflasche beatmet werden musste.
Dann machten wir noch einige Fotos und spielten mit dem übriggebliebenen Sprengstoff rum. Glaubt mir, wenn so ein Beutel Ammoniumnitrat hoch-

geht, dann kracht's gewaltig. Die Sprengungen in der Mine finden übrigens um eine feste Uhrzeit statt, so dass jeder sich darauf einrichten kann. Dreckig aber zufrieden machten wir uns auf den Rückweg ins Hotel wo eine warme Dusche wartete. Der Großteil der Gruppe entspannte sich dann an irgendwelchen heißen Quellen. Ich schaute mir lieber noch die Stadt an.

Mineralienverkäufer
Ich mit Dynamit
Laura explosiv

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